Resilienzförderung in der Praxis | Reihe trauma-informed arbeiten

Teil 1: Was ist Trauma?

Unser Verständnis von Trauma hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Über Trauma zu sprechen ist heute kein Tabu mehr. Über Trauma aufzuklären und trauma-informeds oder auch trauma-sensibel zu arbeiten zu können, gehört heute zum Handwerkszeug eines jeden Resilienz-Beraters, Trainer und Coaches.

Im ersten Teil dieser Reihe gebe ich Dir eine kurze Einführung zum Trauma-Begriff und zeige auf, wie sich das Verständnis von Trauma aktuell verändert.

Teil 1: Was versteht man unter einem Trauma?

| Ein Beitrag von Ella Gabriele Amann

Der traditionelle Trauma-Begriff

Das Wort Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Wunde“.  Medizinisch bedeutet ein Trauma „Verletzung und Gewalteinwirkung im körperlichen oder psychischen Sinne.“

Ein traditionelles Verständnis von Trauma legt den Fokus auf das Ereignis. Heute wird der Trauma-Begriff jedoch weiter gefasst. So beschreibt auch die WHO-Klassifizierung von Krankheiten (ICD-10 – International Statistical Classification of Diseases und Related Heath Problems) den Trauma-Begriff heute weiter:

„Trauma ist ein belastendes Ereignis oder eine Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigen Ausmaßes, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Hierzu gehören eine durch Naturereignisse oder vom Menschen verursachte Katastrophe, eine Kampfhandlung, ein schwerer Unfall oder Zeuge eines gewaltsamen Todes oder selbst Opfer von Folterung, Terrorismus, Vergewaltigung oder anderer Verbrechen zu sein.“

Der erweiterte Trauma-Begriff

Noch weiter geht daher das neurobiologisch, Trauma- und Polyvagal informierte Verständnis von Trauma, bei diesem Ansatz liegt der Fokus nicht mehr auf dem Ereignis selbst, sondern auf dem gegenwärtigen Zustand des Nervensystems.

Aus der Sich des Trauma Experten und Psychologen Peter A. Levine (Begründer der Methode Somatic Experiencing SE) und dem Neurobiologen und Forscher Stephen Porges (Begründer der Polyvagaltheorie), entsteht ein Trauma, wenn der Organismus in seiner Fähigkeit überfordert ist, Erregungszustände zu regulieren.

Damit ist ein Trauma die höchst individuelle Antwort des Nervensystems auf ein inneres oder äußeres Ereignis. Das Ereignis selbst ist nur der Auslöser einer autonomen Reaktion/Antwort des Nervensystems.

Für die Resilienzförderung stellt sich damit die Frage: An welcher Stelle ist der natürliche Regulationsprozess des Nervensystems stecken geblieben und wie kann die Reaktion wieder in den Fluss kommen?

Die Neubewertung von Traumageschehen

Wir befinden uns derzeit also in einer auch wissenschaftlichen Phase der Neubewertung von Traumageschehen. Denn die therapeutische Erfahrung zeigt: Nicht jeder Mensch reagiert auf ein klassischerweise als traumatisch eingestuftes Ereignis mit einer anhaltenden Dysregulation des Nervensystems. Menschen können z.B. eine Vergewaltigung erleben und dank einer sofortigen, wie nachhaltig professionellen Betreuung und Co-Regulation, die eigene Regulation des Nervensystems auf natürliche Weise wieder herstellen ohne Traumafolgeschäden zu entwickeln.

Umgekehrt erleben viele Menschen, bei von außen betrachtet scheinbar geringfügigen Ereignissen, bereits eine Überforderung ihres Nervensystems – und das unabhängig davon, ob es hierfür eine ICD-10 taugliche Diagnose einer Traumafolgestörung gibt, wie z.B. die PTBS (posttraumatische Belastungsstörung, Depressionen, verschiedenen Schmerzzustände, Migräne etc.)

So können ein schlechtes Arbeitsklima, anhaltende Überforderungen, Dauerstress und innere Antreiber-Systeme zu einer Fehlanpassung des Verhaltens und zu einer chronischen Dysregulation des Nervensystems führen.

Mit der Folge, dass durch die Regulationsstörung des Nervensystems z.B. Burn-out-Syndrome oder auch Cool-Out-Phänomene (z.B. emotionale Abstumpfung und Distanzierung im Umgang mit Patienten) entstehen, die bislang jedoch nicht als Traumafolgestörung im ICD-10 aufgeführt sind.

Jeder Mensch reagiert auf Stressoren anders

Zu beachten ist ebenfalls, dass nicht jeder Mensch, der Symptome einer Traumafolgestörung hat, auch ein Trauma im klassischen Sinne erlebt. Für die erlebten körperlichen und mentalen Symptome kann es vielfach andere medizinische Ursachen geben, wie z.B. ein Tumor oder eine unerkannte Autoimmunstörung.

Ratsam ist es daher keine zu voreiligen Schlüsse zu ziehen, selbst Diagnosen zu stellen, eigene Erfahrungen auf Klienten zu projizieren oder voreilig die Selbstdiagnosen von Klienten zu akzeptieren.

Die professionelle Trauma-Abklärung

Wichtig für Dich als Resilienz-Berater:in, Trainer:in oder Coach ist, stets dafür zur sorgen, dass Klienten eine umfassende medizinische und psychologische Abklärung ihrer Symptome vornehmen lassen, insbesondere dann, wenn Selbsthilfe und Coaching-Techniken, die für die Arbeit mit „gesunden, nicht traumatisierten“ Menschen entwickelt wurden, nicht die gewünschte oder erwartete Wirkung zeigen.

Im Teil 2 dieser Trauma-Reihe erfährst Du, welches die wichtigsten Trauma-Kategorien sind.

Ella Gabriele Amann

Ella Gabriele Amann

Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren intensiv mit dem Thema Trauma und Traumafolgen, insbesondere im Kontext der individuellen und organisationalen Resilienzförderung.

In meiner Resilienz-Praxis arbeite ich als Familien-, Körper- und Trauma-Therapeutin, bin unter anderem langjährig am Polarity Institut in der Schweiz in Somatic Experiencing (SE) ausgebildet und durfte die bahnbrechende Arbeit von Peter Levin und Stephen Porges persönlich kennenlernen.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt zum Thema Trauma & Resilienz liegt in meiner Aufklärungsarbeit zum Uneindeutigen Verlust, der auf über 30 Jahren Forschungsarbeit von Pauline Boss beruht. Mit diesem Ansatz unterstütze ich vor allem Führungskräfte im Kontext der Organisationalen Resilienzförderung, insbesondere, wenn es um die trauma-sensitive Begleitung von Transformations- und Change-Prozesse geht.

Seit Beginn der 2010er Jahre liegt mein Arbeitsschwerpunkt zudem in der Resilienz Aus- und Weiterbildung von Multiplikator:innen. In die Ausbildung integriert ist die Vermittlung von acht trauma-informed Prinzipien, die ich im Rahmen meiner Stiftungsarbeit für unsere Applied Resilience Facilitator und Applied Improv Facilitator Ausbildung entwickelt habe.

Welche Erfahrungen hast Du mit dem Thema Trauma gemacht?

Ich freue mich über Dein Feedback und wünsche Dir einen schönen Start in Dein tägliches Resilienz-Training!
Deine Ella Gabriele Amann

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